Im Zuge des Wahlkampfs haben sowohl Arnim Ross (SPD) wie auch Steffen Andreae (GLLK) von sozialem Wohnungsbau auf dem Gelände südlich des Kreisels gesprochen. Arnim Ross sprach von 24 Wohnungen, wobei die Gemeinde selbst 12 Wohnungen errichten sollte. Für weitere 12 Wohnungen sollte ein privater Investor gefunden werden. Steffen Andreae wollte in Anlehnung an einen Entwurf der SPD aus dem Jahr 2012 hingegegen 48 Wohnungen errichten und davon soviele wie möglich von der Gemeinde bzw. dem Betriebszweig Wohnungswirtschaft errichten lassen.
Die Vorlage des Gemeindevorstandes Wohnungsbau Theodor Heuss Straße kann noch nicht mit belastbaren Baukosten ausgestattet werden, daher soll hierzu eine Studie erstellt werden. Genau dazu dient der Antrag. Der Gemeindevorstand folgt damit dem mehrheitlich im Dezember 2015 angenommenen gemeinsamen Antrag von GLLK und Bündnis90/Die Grünen. Darin heißt es:
Der Gemeindevorstand wird beauftragt, den Bau von bezahlbaren Wohnungen für Kaufunger/innen, Neubürger/innen und Flüchtlinge im Baugebiet am Kreisel zu planen und zu kalkulieren. Dabei ist sowohl der Bau der Wohnungen durch die gemeindliche Wohnungswirtschaft als auch durch Wohnungsbaugesellschaften bzw. Wohnungsgenossenschaften zu prüfen und der Gemeindevertretung die geeignetste Form vorzuschlagen.
Ausgehend von eigenen vorläufigen Berechnungen kommt die Vorlage zum Ergebnis, dass gemeinsam mit einem zinsgünstigen Kapitalmarktdarlehen und dem vorhandenen Eigenkapital die Schaffung von 12 Sozialwohnungen mit einer Größe von 62,5 qm finanzierbar seien. Dabei wird von einem qm Preis von 2733 € ausgegangen. Grundstückskosten fallen keine an, da das Gebäude auf Grund und Boden der Gemeinde errichtet werden soll.
Zur Orientierung beziehen wir uns hier auf eine Studie des Verbändebündis Sozialer Wohnungsbau aus dem Jahr 2015. Die Kosten pro qm setzen sich dort wie folgt zusammen:
- Errichtungskosten – 1.432 €
- Kellergeschoss – 94 €
- Tiefgarage – 249 €
- Aufzug – 68 €
- Baustellenlogistik. Die Studie geht hier von einer anspruchsvollen Baustellenlogistik aus und berechnet diese mit 137 €. Da es sich in unserem Fall keinesfalls um einen anspruchsvolle Logistik handelt, berechnen wir hier nur einen Betrag von 80 €.
- Außenanlagen – 40 €
- Grundstückanteil – Die Studie geht hier von einem bundesweiten Durchschnittspreis pro qm aus, der sich auf 576 Euro beläuft. Das wäre hier für die Darstellung nicht sinnvoll, daher verwenden wir hier einen Preis von 200 qm, also einen Preis, den wir in Kaufungen auch erzielen könnten (wenn wir uns dafür entscheiden)
zusammen: 2.163 €
Von diesem Preis ziehen wir nun die Tiefgarage ab. Ob das Haus unterkellert wird, wissen wir nicht, darum bleibt der Keller drin. Wir sind nun bei einem Preis von 1.914 € angelangt, zu dem wir noch die Baunebenkosten in Höhe von 20 % aufschlagen:
2296,80 €
Das bedeutet aber, dass ausgehend von den Berechnungen der Vorlage mit dem zur Verfügung stehenden Geld nicht nur 750 m² Wohnfläche gebaut werden könnten, sondern 892 m², also in jedem Fall 14 statt 12 Wohnungen. Alternativ wäre zu überlegen, ob nun die 62,5 m² Wohnfläche ausreichend sind. Würden wir von einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von 55 m² ausgehen (wie es eine frühere Berechnung vorschlug), dann wären auch 16 Wohnungen denkbar.
Die Vorlage bezieht sich nicht nur auf die Kosten, sondern bezieht auch noch folgende Überlegungen mit ins Kalkül. Für die barrierefreien Wohnungen in der Theodor-Heuss-Strasse gibt es derzeit 71 Interessierte für eine Zwei-Raum-Wohnung und 18 für eine Drei-Raum-Wohnung. Doch manche von diesen Personen können aufgrund eines Einkommens, welches über den Einkommensgrenzen liegen, nicht in diese Wohnungen einziehen. Nun können wir uns leider nicht der Illusion hingeben, dass die Arm-Reich-Schere, die sich seit 30 Jahren öffnet, aufgrund von politischen Entscheidungen und einer zunehmenden Vernunft wieder schließt. Daher ist in den kommenden Jahren davon auszugehen, dass wir zunehmend mehr Menschen in Deutschland haben werden, die unter den Einkommensgrenzen liegen. Ein Austrocknen der Armut ist eine Charaktereigenschaft, die der herrschende Kapitalismus nicht kennt. (Aktuell dazu der neoliberale Thinktank Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, also ganz bestimmt nicht verdächtig!) Zudem wird sich aufgrund von Klimawandel, Rohstoffhunger und der Lust auf Waffenexporte auch die Zahl der Flüchtlinge nicht reduzieren lassen. Auch hier ist eine Investition in den sozialen Wohnungsbau notwendig.
Ein weiterer Grund dafür, dass mehr Interesse angezeigt wird, als real darstellbar ist, erklärt sich folgendermaßen: Manche zeigen ihr Interesse in mehreren Gemeinden an. Daher wird nach den gemachten Erfahrungen davon ausgegangen, dass für diese 89 Interessierte der Bau von 12 Wohneinheiten ausreicht.
In den letzten 4 Jahren hat sich der Bedarf nach Drei-Raum-Wohnungen (bezogen auf die Interessierten-Liste) nur unwesentlich geändert. 2012 hatten sich hier 20 Interessierte gemeldet. Doch die Zahl der Interessierten für eine Zwei-Raum-Wohnung lag bei 113 Interessierten. 2012 wurde überlegt für diese insgesamt 133 Interessierten 50 Sozialwohnungen zu bauen. Leider ist die Vorlage nicht öffentlich, so dass wir sie hier nicht komplett zur eigenen Lektüre anbieten können. Ausgehend von den Überlegungen aus dem Jahr 2012 wären heute also 33 Sozialwohnungen nötig.
Die Beschlussvorlage, also die Erteilung eines Prüfauftrages, findet auf jeden Fall eine Mehrheit. Anschließend wären folgende Fragen interessant:
- Wie groß soll eine Sozialwohnung sein?
- Haben sich die Erfahrungswerte geändert, so dass die Einschätzung von 2012 zu hoch gegriffen war?
- Können wir sicher gehen, dass sich ein privater Investor für die zweiten 12 Wohnungen findet? Und wenn nicht, können wir dann darauf verzichten oder müssen wir nicht dennoch bauen?
- Schätzen wir es als Gemeindevertretung so ein, dass die Zahl der Menschen mit geringen Einkommensgrenzen (und damit berechtigt für Sozialwohnungen) zunimmt oder abnimmt?
- Gehen wir davon aus, dass auch in Zukunft weitere Fluchtsuchende Menschen nach Kaufungen kommen werden?