Der hier vorgestellte Text stellt das Schlusskapitel einer Studie mit dem Titel “Steuerung mit Kennzahlen in den kreisfreien Städten – Ergebnisse einer empirischen Studie”. Diese wurde herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung und der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt). In der Gemeindevertretung spielt das Thema “Kennzahlen” zunehmend eine zentralere Rolle. Zuletzt konnte die Grüne Linke Liste Kaufungen mit einem Vorschlag im Energieausschuss auf die positiven Effekte einer Anwendung von Kennzahlen hinweisen. Auch die Verwaltung macht im Vorbericht zum Haushalt 2014 auf die Notwendigkeit und Chancen der Anwendung von Kennzahlen deutlich. Vorab zur Einstimmung:
“Besonders auffällig ist gelegentlich die Abstinenz politischer Akteure, mittel- bis langfristig orientiert – also strategisch – zu handeln und den Erfolg des eigenen Handelns kritisch zu hinterfragen. Dies kann auch nicht mit dem oft gehörten Wort vom „Feierabendpolitiker“ entschuldigt werden. Man muss nicht ausgebildeter Betriebswirt, Verwaltungswissenschaftler oder Jurist sein, um rational und sinnhaft zu handeln. Die gleichen Menschen, die manchmal ohne mit der Wimper zu zucken bereit sind, Steuergelder einzusetzen, obwohl Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht hinreichend nachgewiesen sind, handeln in ihrer privaten Sphäre meistens außerordentlich sinnhaft, zumindest was den Einsatz ihrer privaten Mittel betrifft. Unsere Politiker wären deshalb gut beraten, die Bürger ernst zu nehmen und Rechenschaft über ihr Tun abzulegen. Dazu sind Kennzahlen ein – aber auch nur ein – unverzichtbares und sehr geeignetes Mittel.”
Der Text wird hier gekürzt wiedergeben. Die vollständige Version steht Ihnen natürlich auch zur Verfügung.
“Die Verschuldung vieler Kommunen ist dramatisch. Gleichzeitig steigt – vor allem im Jugend-, Familien- und Sozialbereich – der Aufwand für kommunale Leistungen, während bei den betroffenen Kommunen die Erträge insbesondere aus (Gewerbe-)Steuern wegbrechen beziehungsweise sich nicht wieder erholen. Eigentlich ein Grund für die kommunal verantwortlichen Akteure, sich vermehrt mit der Effektivität und Effizienz der eigenen Leistungserbringung zu befassen. Die finanzielle Situation macht es noch dringlicher, wirksame und wirtschaftliche Leistungen der Kommune zu erreichen und sicherzustellen. Kennzahlen zur Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit kommunaler Leistungen lösen zwar nicht das finanzielle Problem der Kommune, sie dienen aber Entscheidern als wertvolle Unterstützung.
Trotzdem ist die Nutzung von Kennzahlen noch (weiter) entwicklungsbedürftig. Woran liegt das?
Zunächst ist festzuhalten, dass tradiertes Verwaltungshandeln nach wie vor beträchtliche Kraft entfaltet. Der Hinweis, dass fast alle kommunalen Aufgaben gesetzlich vorgegeben seien und damit keine Handlungsspielräume bestünden, steht nach wie vor im Raum. Manchmal wird er mit verstärktem Nachdruck erhoben, da die freiwilligen Leistungen ohnehin schon abgeschmolzen seien. Dass dies so nicht stimmt, ist vielfältig belegt. Ansonsten würden nicht die Aufwände im Sozialbereich bei vergleichbaren Fallzahlen sowohl von Kommune zu Kommune, aber auch von Bundesland zu Bundesland, stark differieren. Denn gesetzlich vorgeschriebene Aufgaben bedeuten in aller Regel nicht: gesetzlich von Umfang, Intensität und Ressourceneinsatz her vorgeschriebene Aufgaben. Hier Wirksames von Unwirksamem zu unterscheiden und Wirtschaftliches von Unwirtschaftlichem, kann mit Kennzahlen gut gelingen.
Kennzahlen beleuchten einen ausgewählten Bereich, wirken wie ein Scheinwerfer, werfen Fragen auf, lassen sich als Zielpunkt verwenden inklusive Vergleich des Erreichten mit dem Gewollten zu. Interessierte und engagierte Kommunen arbeiten so seit vielen Jahren, verstärkt vor allem in den letzten anderthalb Jahrzehnten, und verschaffen sich damit Unter stützung bei anstehenden Entscheidungen. Die Kommunen haben die interkommunalen Vergleiche auf Kennzahlenbasis als hilfreiche Basis für Entscheidungen, Lernen vom Besten und interkommunalen Erfahrungsaustausch entdeckt.
Neben tradiertem Verwaltungshandeln gibt es weitere Gründe für die mancherorts zögerliche Umsetzung von praxisnahen kommunalen Vergleichen auf Kennzahlenbasis. Noch immer ist insbesondere bei kommunalen Führungskräften, sei es in Politik oder Verwaltung, eine gewisse „Scheu“ vor Zahlen überhaupt, insbesondere aber vor Kennzahlen, festzustellen. … Zumindest für kommunale Führungskräfte gilt grundsätzlich: Mit Kennzahlen muss ich mich auseinandersetzen! Das ist nicht immer bequem und stellt die Richtigkeit des eigenen Handelns mitunter infrage.
Kommunale Aufgabenerledigung und Betriebswirtschaftslehre passen nicht zusammen – auch ein häufig gehörtes Argument. Hierbei tun sich gelegentlich auch politikwissenschaftlich geprägte Verwaltungswissenschaftler hervor. Natürlich ist zuzugestehen, dass kommunale Aufgaben nicht mit der Elle von „Gewinn“ und „Rendite“ gemessen werden dürfen. Dazu sind die Aufgabenstellungen der Daseinsvorsorge zu komplex. Das ändert aber nichts an der Verpflichtung, sich professionell Gedanken über die Ziele kommunalen Handelns und die zur Erreichung erforderlichen Maßnahmen, Prozesse und Ressourcen zu machen sowie anhand von Kennzahlen festzustellen, ob die eigene Vorgehensweise zielführend ist oder korrigiert werden muss. Und: man sollte auch die Betriebswirtschaftslehre nicht unsachgemäß einengen. Sie bietet als Betriebswirtschaftslehre öffentlicher Betriebe und Verwaltungen gute Unterstützung für die kommunale Praxis.
Andererseits ist die Euphorie, mit der Kennzahlenvergleiche vor Jahren verstärkt begonnen wurden, teilweise erloschen. Der Grund liegt zum einen darin, dass Kennzahlen häufig Expertensysteme geblieben sind, insbesondere Kommunalpolitiker gewinnen mit zahlreichen Detailbefunden kaum relevante Aussagen. Zum anderen sind Kennzahlen aber auch als Heilmittel überhöht worden. Demgegenüber ist festzustellen: Sie sind immer nur ein Werkzeug neben vielen anderen. Vor allem wurde es aber versäumt, durch eine überzeugende Kommunikationsstrategie den Nutzen von Kennzahlen in Kommunen zu vermitteln. …
Besonders auffällig ist gelegentlich die Abstinenz politischer Akteure, mittel- bis langfristig orientiert – also strategisch – zu handeln und den Erfolg des eigenen Handelns kritisch zu hinterfragen. Dies kann auch nicht mit dem oft gehörten Wort vom „Feierabendpolitiker“ entschuldigt werden. Man muss nicht ausgebildeter Betriebswirt, Verwaltungswissenschaftler oder Jurist sein, um rational und sinnhaft zu handeln. Die gleichen Menschen, die manchmal ohne mit der Wimper zu zucken bereit sind, Steuergelder einzusetzen, obwohl Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht hinreichend nachgewiesen sind, handeln in ihrer privaten Sphäre meistens außerordentlich sinnhaft, zumindest was den Einsatz ihrer privaten Mittel betrifft. Unsere Politiker wären deshalb gut beraten, die Bürger ernst zu nehmen und Rechenschaft über ihr Tun abzulegen. Dazu sind Kennzahlen ein – aber auch nur ein – unverzichtbares und sehr geeignetes Mittel.
Protagonisten und Engagierte erhalten seit Kurzem einen neuen Verbündeten für die Weiterentwicklung von Kennzahlenvergleichen: das kommunale Haushaltsrecht. Kennzahlen sollen in Verbindung mit Zielen in den Teilergebnishaushalten und -plänen ausgewiesen und zur Gestaltung der Planung, Steuerung und Erfolgskontrolle des jährlichen Haushalts genutzt werden. Dies gilt nicht für jedwede kommunale Leistungen und Aktivitäten, sondern für die wesentlichen. In der Regel sind dies die Produktgruppen und Produkte beziehungsweise Leistungen, die mit einem strategischen Ziel der Kommune eng verbunden sind.
Mit dem Haushalt ist automatisch politische und Führungsrelevanz gesichert. Aber auch unter diesen neuen Vorzeichen wird erfolgreiche Nutzung der Kennzahlen und Kennzahlenvergleiche nicht „von selbst laufen“, sondern erfordert eine überlegte Einführung und Anwendungsroutine:
- „Weniger ist mehr“: Die Menge der Ziele und Kennzahlen, die im Haushaltsplan ausgewiesen werden, sollte strikt begrenzt werden.
- „Strategisches hat Priorität“: So wichtig es für einen Fachbereich sein mag, Leistungsdetails per Kennzahlen im Haushalt zu veröffentlichen, so wenig leserfreundlich ist dies aber; Ziele und Kennzahlen sollten nicht nur in der Menge begrenzt, sondern genauso strikt ausgewählt werden: Die Ziele gemäß Strategieprogramm genießen Priorität.
- „Relevanz sichert Anwendung“: Was Vertretung und Führungskräfte strategisch für relevant halten, werden sie mit Aufmerksamkeit verfolgen – der beste Ansatz, in die Informationen des Haushalts Kennzahlen einzuflechten.
- „Berichtswesen sichert Kontinuität“: Kennzeichnend für langfristig erfolgreiche Anwendung von Kennzahlen ist nicht, den Blick ein Mal oder zufällig auf Kennzahlen im Haushaltsplan zu werfen, sondern ihre Entwicklung mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu verfolgen. Das Berichtswesen ist ein probates Mittel der Umsetzung dieses Gedankens.
Ziele und Kennzahlen sollten mithilfe des neuen Haushaltsrechts stärker in den Blickpunkt von Rat und Kreistag, Ausschüssen und Verwaltungsführung gerückt werden. Dies muss nicht aufwendig sein, kann mit wenigen Informationen begonnen und allmählich ausgeweitet werden. Einzelne Erfahrungen der Praxis zeigen, dass Ziele und Kennzahlen unter diesen Bedingungen tatsächlich genutzt werden. Die Untersuchung gibt dazu wertvolle Anregungen.”