Meine sehr verehrten Damen und Herren!
In seiner Haushaltsrede sprach der Bürgermeister von den 1,7 Millionen Euro, die wir in diesem Jahr weniger zur Verfügung haben und die uns folglich natürlich mehr Kopfschmerzen bereiten, als diese oder jene Kostenstelle.
Wohin geht denn das Geld, welches nicht mehr an uns geht? Es wird an anderer Stelle gebraucht. Nicht nur die Gemeinden sind klamm, sondern auch die Länder und der Bund. Und das trotz Allzeithoch der Steuereinnahmen!
In einer solchen Situation geht es darum, wie die Prioritäten gesetzt sind und wer die Prioritäten setzen kann. Sie liegen, wie wir alle erfahren müssen, eben nicht an erster Stelle bei den Gemeinden. Die Gelder fließen zum Beispiel in Projekte, wie den Bau der A44. Es gibt unterschiedliche Positionen zur A44, das ist auch beim Treffen des Runden Tisches wieder deutlich geworden. Aber eines ist allen klar: Irgendwoher kommt das Geld, welches beim Bau der A44 gebraucht wird. Dank oder wohl eher trotz der Berichterstattung der hna lassen sich die Menschen im Lossetal mehrheitlich nicht von einer Klage abbringen.
Die Priorität des Landes und des Bundes liegt eben nicht zugleich bei der A44 und der Stärkung der Gemeinde Kaufungen.
Die finanziellen Belastungen der Gemeinden werden in den nächsten Jahren noch zunehmen. Ein Teil der Umstände, die dafür verantwortlich sind, haben mit Vorstellungen zu tun, welche einer Idee wie der A44 zugrunde liegen. Es sind Vorstellungen einer Zukunft, in der wir weiterhin Waren von A nach B transportieren. Es sind Gedanken einer globalisierten Welt mit funktionierenden Warenströmen und einem Reichtum, der durch eine schnelle Autobahn allen zu teil werden kann. So wird das aber alles nicht kommen.
Leider sind wir es nicht, die die Prioritäten setzen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Prioritäten auch zukünftig nicht auf der Stärkung der Gemeinden liegen und damit z.B. Zuweisungen nicht in unsere Richtung fließen werden. Es sieht ein bisschen danach aus, dass wir die Dinge selbst in die Hand nehmen müssen.
Wie eine Gesellschaft ihre Kommunen ausstattet, sagt sehr viel darüber aus, welche Bedeutung sie der örtlichen Gemeinschaft und den öffentlichen Aufgaben zumisst. Sie zeigt so, was ihr Bildung und Teilhabe, was ihr Jugend und Alte wert sind, sie zeigt, was ihr lokale Demokratie wert ist. Nicht die Banken sind systemrelevant, die Gemeinden sind systemrelevant. Wer das verkennt, dem muss man sagen, dass er seiner politischen Verantwortung nicht gerecht werden kann und will.
Ein weiterer Grund – neben den anders liegenden Prioritäten – warum die Gemeinde Kaufungen in diesem Jahr mit weniger Geld auskommen muss, ist das Einbrechen der Gewerbesteuereinnahmen. Nicht, weil wir die Unternehmen in unserem Ort schlecht behandelt haben und sie sich entschieden haben, woanders hin zu gehen. Sondern der Wirtschaftsmotor kommt ins Stocken und läuft eben nicht mehr so rund, wie viele Jahre zuvor. Glücklicherweise gibt es gegen einbrechende Gewerbesteuereinnahmen eine einfache Lösung: Mehr Wachstum.
Dabei wird ja durch alle Parteien hindurch die Aussage deutlich, dass wir mit mehr Wachstum eben die Probleme, die wir uns so eingehandelt haben, nicht in den Griff bekommen. Mehr Wachstum bedeutet mehr Verbrauch von Rohstoffen, bedeutet mehr Raubbau an der Natur und mehr Emissionen.
Und so kommen wir leider zum nächsten Prioritätenverschieber:
Der Klimawandel wird in den kommenden Jahren die Kraft sein, die Gemeinden, Land und Bund dazu zwingen wird, die Prioritäten neu zu setzen.
Der Klimawandel diskutiert nicht,
er hat es nicht eilig,
aber er ist unbeirrbar.
Dies wird erneut bedeuten, dass wir auch zukünftig weniger Geld in die Gemeindekasse bekommen, denn Klimawandel kostet Geld, sehr viel Geld.
Neben dem Klimawandel wird noch ein anderes Problem in den kommenden Jahren die Prioritäten verschieben. Die auf diesem Planeten vorhandene Erdölmenge ist zur Hälfte verbraucht, dieser Zeitpunkt wird Peak Oil genannt. Dieser Umstand wird sich auf jeden Fall in einer Erhöhung der Preise niederschlagen. Andere Auswirkungen werden in den nächsten Jahren noch vielfältig zu spüren sein und wir werden uns hier in diesem Haus auch noch vielfach darüber unterhalten.
Aber erst mal werden die Menschen in den kommenden Jahren weniger Geld in der Tasche und werden daher auch weniger Geld ausgeben. Wir alle werden weniger Auto fahren und uns in wenigen Jahren über eine kaum befahrene A44 wundern.
Wir werden übrigens nicht die einzigen sein, die aufgrund des Umstandes, dass die Hälfte des Öls verbraucht ist, in den nächsten Jahren auf Geld verzichten müssen, auch die Länder und der Bund werden in dieser Folge weniger freie Mittel zur Verfügung haben.
Und nun?
Die kommenden Jahre werden sich nicht dadurch auszeichnen, dass wir mehr Geld zur Verfügung haben. Sie sollten sich durch ein anderes „mehr“ auszeichnen:
Mehr Solidarität, mehr geteilte Verantwortung, mehr Gespräch, mehr Nachbarschaftshilfe, mehr Austausch, mehr Miteinander und – auch dafür setzt sich die Grüne Linke Liste Kaufungen ein – mehr Umverteilung. Es muss uns gelingen, und daher sollten die Vorschläge die zur Haushaltskonsolidierung gemacht werden, dies auch berücksichtigen, es muss uns gelingen, dem Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich hier in Kaufungen entgegenzuwirken.
Das heißt, dass wir nicht an erster Stelle Vorschläge diskutieren wollen, aus welchem kleinen Topf wir noch was raus nehmen. Bezogen auf den Haushalt gehen unsere Vorschläge daher in Richtung Straßenbeitragssatzung, Pferdesteuer und Gewerbe- und Grundsteuer.
Wir müssen die Umverteilung anstoßen und auch durchsetzen.
Vor ungefähr einem Jahr waren einige von Ihnen beim Vortrag von Matthias Horx. Er schreibt ein Kolumne in der Frankfurter Rundschau. Ich zitiere aus seinem Artikel vom 12. Januar:
„Wie der Junkie auf den Stoff warten wir auf die nächsten Konjunkturzahlen …
Wir verstehen nicht, dass unser Problem längst nicht mehr im MEHR liegt. … Deutsches … Wachstum ist in Europa sogar ein Teil der Krise,
weil es andere Euro-Länder ins Defizit treibt.
…
Zukunft entsteht nicht dann, wenn die Wirtschaft brummt.
Sondern wenn die Gesellschaft neue Formen der Kooperation entwickelt.“
So Matthias Horx.
Zukunft entsteht nicht dann, wenn wir darauf warten, dass sie jemand gestaltet. Sondern unsere Zukunft nimmt Gestalt an, weil wir miteinander und nicht gegeneinander uns Gedanken über das machen, was auf Kaufungen zukommt.
Wir wollen ein kommunikatives Miteinander und wir wollen diesen Austausch auch hier in diesem Haus. Die gewählten Vertreterinnen und Vertreter, die wollen wir hier hören. So wie sie es gelernt haben, so wie sie es können. Wir wollen Sie alle hören, weil Sie vertreten die Menschen in dieser Gemeinde. Wie müssen die Dinge gestalten und daher müssen wir uns untereinander austauschen, weil wir unterschiedliche Interessen vertreten und diesem Wahlauftrag gerecht werden müssen.
Ich hatte mit Herrn Schmidt (Fraktionsvorsitzender der CDU) einen Austausch im Ältestenrat in dieser Sache. Er meinte, dass diese Diskussion nicht hier in der Vertretung stattfinden soll, sondern in den Ausschüssen. Aber 80% der Redebeiträge der CDU in den Ausschüssen sind von … Herrn Schmidt und Herrn Wiegand von Kleist. Also gibt es die Diskussion zwischen den Vertreterinnen und Vertretern überhaupt nicht.
Wir wollen aber nicht nur die Diskussion untereinander, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger aktiver beteiligen und auch damit raus aus der Falle Alternativlosigkeit. Wir wollen hinein in den Raum, in dem über Alternativen gemeinsam nachgedacht werden kann.
Wenn es uns aber gelingt, die Menschen in unserer Straße, unsere Nachbarn und dann am Ende die gesamte Gemeinde zu aktivieren und in Kommunikation zu bringen, dann könnte das ausreichen und es könnte sein, dass wir rechtzeitig mit den wesentlichen Schritten beginnen. Dafür brauchen wir den Austausch und – auch wenn dem immer noch mit Kopfschütteln begegnet wird – die Sitzordnung in diesem Haus hat Einfluss darauf, wie dieser Austausch abläuft. Wir können die von Horx angesprochenen neuen Formen der Kooperation nicht entwickeln, wenn wir sie hier im Haus nicht umsetzen.
Klimawandel und Peak Oil, die beiden Prioritätenverschieber, dürfen wir in keinem Fall als Umweltprobleme abtun, die irgendjemand anderes schon lösen wird. Die Lösungswege verlangen eine kulturelle Veränderung und die wird hier in Kaufungen stattfinden. Es wird nicht ausreichen zu reagieren, sondern wir müssen uns in eine aktive Rolle begeben und wir müssen die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen auf diesem Weg. Die kulturelle Veränderung wird stattfinden, das ist nicht die Frage. Die Frage aber ist: Wollen wir sie gestalten und wollen wir uns das als gemeinsame Aufgabe vornehmen?
Die Bürgerbeteiligung greift auf ein unbezahlbares Kapital zurück. Wir wollen, dass Bürgerinnen und Bürger bei allen wichtigen Entscheidungen eine echte Chance bekommen, ihrer Stimme Gewicht zu verleihen und Entscheidungen real mit zu beeinflussen. Doch auch hier haben wir noch kein Einvernehmen erzielt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich komme zum Schluss.
Es braucht unserer Ansicht nach die Einsicht, dass wir grundlegende Veränderungen vornehmen müssen. Es braucht die Erkenntnis, dass wir aktiv in die Umverteilung einsteigen müssen. Es braucht einen realistischen Blick auf die Zukunft und einen neugierigen Blick auf die möglichen Lösungswege. Dazu laden wir ein und wünschen uns im laufenden Jahr einen konstruktiven Dialog.
Die Grüne Linke Liste Kaufungen lehnt diesen Haushalt ab. Wir haben noch nicht die Gewissheit, dass wir hier in der Gemeindevertretung am selben Strang und in die selbe Richtung ziehen. Dies wurde im Haupt- und Finanzausschuss deutlich. Es gibt dort keine echte Mehrheit für diesen Haushalt. Kaufungen braucht eine Haushalt, der aktiv getragen wird. Von einer echten Mehrheit hier im Haus und von der Bevölkerung. Dazu brauchen wir den intensiven Dialog. Daran arbeiten wir und dazu laden wir ein.